Sonntag, 3. Januar 2016

Über das Etikett "Waldorf", eine Puppe und Laternen

Das nicht mehr ganz so kleine Kleinkind steuert mit großen Schritten auf die 5 zu. Rollenspiele sind ganz groß angesagt: Kaufladen, Puppenmutter sein (manchmal auch Puppenvater) und Verkleiden bestimmen das Spielverhalten. Ich habe bei beiden Kindern immer mit Spielzeug gehaushaltet, denn weniger ist hier immer mehr. Ein Bauernhofhaus läßt sich ebenso gut aus Kaminholzscheiten und Anzündholz bauen (oder gesammelten Stöcken und Steinen aus dem Wald - so haben die dann auch ihre Vewendung :-)), die Puppe schläft in einer alten Weinkiste und wird mit selbstbekritzelten künstlerisch hochwertig gestalteten Moltontüchern zugedeckt oder Mamas Schal oder was auch immer sich gerade findet. 

Natürlich haben wir auch "fertiges" Spielzeug wie Playmobil oder einen Puppenschrank. Nichtsdestotrotz achte ich darauf, die Kinderzimmer nicht mit Tand zuzumüllen. Es ist nunmal so, daß Kinder angeleitet und beschäftigt sein wollen und dies läßt sich über den ständigen Nachkauf von Spielzeug leider nicht abfangen. Mit dem Eintritt in die Rollenspielphase schwappt die Fantasie der Kinder schier über - man sieht das auch gut an den dann entstehenden Zeichnungen. Bunte Dinos, Flugapparate, auf dem Kopf stehende Häuser und die unwahrscheinlich tollen "Kopffüßler" sprechen tatsächlich Bilder von den Welten, in die unsere Kinder dann abtauchen. Es lag also nahe, gute und wertvolle Begleiter für diese so wichtige Entwicklungsphase anbieten zu können. Angefangen habe ich mit einer selbst genähten Waldorf-Puppe. Neben der Unterstützung des Rollenspiels übt J. damit auch das Anziehen, Knöpfe schließen und Knoten binden. Kostenlose Anleitungen gibt es im www massig, die für mich hilfreichsten habe ich auf einer meiner Pinterest-Wände gesammelt. Dies ist also J. Püppchen:


Noch ein Wort zur Waldorf-Pädagogik:

Der geneigte Leser soll wissen, daß ich von Hause aus Erziehungswissenschaftler bin. Wir beschäftigen uns mit verschiedenen Pädagogikmodellen und setzen sie konzeptionell um. Es gibt Fröbel-Pädagogik, Montessori-Pädagogik, Summerhill-Pädagogik, antiautoritäre Erziehung, schwarze Pädagogik usw usw. usw. Und eben auch Waldorf-Pädagogik. Jede pädagogische Richtung hat eigene Schwerpunkte, bei der Waldorf-Pädagogik liegt er u. a. auf der Ausbildung eines ästhetischen Empfindens als Grundlage für das Verstehen und Begreifen der Welt in ihrer Komplexität. Ums mit Friedrich Schiller zusammenzufassen: Der Mensch muß erst ästhetisch werden, bevor er vernünftig werden kann. Daher wird also in Waldorf-Kindergärten und - Schulen so viel gebasteltet, gewerkelt, musiziert und getanzt. Das metaphysische Drumherum von Geistwesen, Engeln usw. ist ein weiterer Aspekt, der das System der Steinerschen Weltsicht prägt. Inwiefern dies für die Erziehung von Kindern wichtig ist, darüber läßt sich streiten. Wir halten es mit der Förderung von Kreativität und Phantasie - alles anthroposophische bei Steiner packen wir dahin wo es hingehört: In eine Reihe mit anderen spirituellen, esoterischen oder auch politischen Strömungen der Weltgeschichte wie die Aufklärung, der deutsche Idealismus, Lohas etc.. Sie ist ein Versuch von vielen, die Welt zu erklären, aber nicht unserer. Daher sind unsere Kinder auch nicht in Waldorf-Kindergärten oder Schulen geschickt worden.
Beim Blick auf die verschiedenen refrompädagogischen Konzepte im 18. und 19 Jahrhundert - hier zählen Fröbel, Montessori und Steiner hinzu - fallen Ähnlichkeiten insbesondere beim BeGREIFEN der Welt durch senso-motorische Erfahrung (singen, tanzen, malen, basteln) auf. Was heute davon übrig geblieben ist, ist das Etikett "Waldorf" auf allem was aus Holz ist - um es mal sehr reduziert auszudrücken. Mit dem Hinstellen von guten "Spielgaben" allein ist es aber nicht getan. Wir müssen uns, wollen wir unsere Kinder in ihre Phantasiewelt begleiten, auch mit ihnen und den dann gebrauchten Spielzeugen und Materialien beschäftigen, d.h. mit ihnen mitspielen. Und da gibt es m.E. nichts besseres, als Spielzeug gemeinsam herzustellen oder zu finden (z.B. Stöcke, Steine usw.). Da fängt das Spiel nämlich bereits an. Und wenn wir uns an unsere Kindheit erinnern, dann werden uns wohl weniger einzelne Spiele in Erinnerung sein, als die Momente, wo wir uns an Bastelnachmittage erinnern. Mein Schwiegervater ist 76 Jahre alt und bekommt heute noch leuchtende Augen, wenn er vom Nüsse vergolden um die Weihnachtszeit herum denkt. Da war er 5 Jahre alt. Nüsse vergolden - wie einfach das geht, wie wenig es kostet und wie wundervoll das Ergebnis ist! Das Etikett "Waldorf" braucht es nicht - ich kann Ihnen versprechen, die Mutter meines Schwiegervaters war sehr fern von derartigen Konzepten. Sie war Förster-Gattin und mein Schwiegervater hat schon Ast-Zwerge geschnitzt, Wachs in Nussschalen gegossen und Baumbuden gebaut, lange bevor es über das Kind-sein-lassen Doktorarbeiten gab. In diesem Sinne also: Macht euch frei und fangt an, mit euren Kindern "zu spinnen". Das macht Spass, kostet in den allermeisten Fällen sehr wenig Geld und muß nicht als "Waldorf" vermarktet oder gekauft werden.
Und wer jetzt denkt: Na, die hat gut reden, die ist bestimmt Hausmutter. Pustekuchen! Ich arbeite Vollzeit. Basteln, malen, draußen rumschlawinern ist für mich so auch immer "Qualitätszeit" mit meinen Kindern. In diesem Sinner einen ruhigen Sonntag - vielleicht mit einer kleinen Bastelei?
Anleitung hier!
durchscheinendes Öl-Papier herstellen: Video- Anleitung hier. Wenn das überschüssige Öl gut abgenommen ist, gibts auch keine Flecken auf dem Tisch!
Papier "Waldorf-bunt" machen: Schulfarbkasten auf und dann entsprechend der dortigen hellen Farbfolge der Farbtöpfchen das Papier bemalen, zB. in Regenbogenform oder als Sonne.




Keine Kommentare: